Schichtarbeit: Wie sich der Körper an wechselnde Rhythmen anpasst

Schichtarbeit: Wie sich der Körper an wechselnde Rhythmen anpasst

Wenn der Wecker um 4:30 Uhr klingelt oder die erste Tasse Kaffee erst gegen Mitternacht getrunken wird, dann gehört man zu einer Berufsgruppe, die außerhalb des gesellschaftlichen Normrhythmus lebt: den Schichtarbeitenden.

Rund 15 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten regelmäßig außerhalb der klassischen Bürozeiten – beispielsweise in Krankenhäusern, in der Industrie, bei der Polizei, in der Logistik oder im öffentlichen Nahverkehr. Schichtdienst hält die Systeme am Laufen, die ohne Rund-um-die-Uhr-Präsenz nicht funktionieren würden.

Für den menschlichen Körper stellt die Schichtarbeit jedoch eine erhebliche Herausforderung dar.

Der innere Taktgeber gerät aus dem Takt

Unser Körper folgt einem natürlichen 24-Stunden-Rhythmus, der durch Licht und Dunkelheit gesteuert wird. Dieser wird auch als zirkadianer Rhythmus bezeichnet.

Er steuert nicht nur den Schlaf-Wach-Zyklus, sondern auch die Körpertemperatur, den Blutdruck, den Hormonhaushalt und sogar die Verdauung. Werden diese Abläufe regelmäßig durch Nachtschichten oder ständig wechselnde Früh- und Spätdienste gestört, reagiert der Organismus mit Anpassung – aber häufig auch mit Protest.

Studien belegen, dass Schichtarbeit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Depressionen und Schlafstörungen erhöhen kann. Die Weltgesundheitsorganisation stufte Schichtarbeit mit einer circadianen Dysregulation außerdem bereits 2019 als „wahrscheinlich krebserregend“ ein – ein ernstzunehmender Hinweis auf die schwerwiegenden langfristigen Auswirkungen auf den Körper.

Schichtarbeit: Wie sich der Körper an wechselnde Rhythmen anpasst

Belastung für alle – aber nicht für alle gleich

Insbesondere im Gesundheitswesen, wo das Personal rund um die Uhr im Einsatz ist, sind die Belastungen hoch. Diejenigen, die in der Pflege, einer Klinik oder der ambulanten Versorgung arbeiten, müssen sowohl körperlich präsent als auch emotional aufmerksam sein.

Die Anforderungen steigen in den aktuellen Zeiten, in denen Fachkräftemangel und Personalausfälle zur neuen Normalität geworden sind, stetig. Egal, ob fest angestellt oder über Temporärstellen im Einsatz: Menschen, die in wechselnden Schichten arbeiten, leben meist stark gegen ihren eigenen biologischen Rhythmus.

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Nicht jede Person kommt damit gleich gut zurecht. Einige sind in der Lage, flexibel zu reagieren, andere entwickeln jedoch bereits nach kurzer Zeit gesundheitliche Probleme.

Was hilft: Strategien für Körper und Geist

Es gibt daher keine Patentlösung, wie der Körper sich optimal an wechselnde Arbeitszeiten anpasst. Es existieren allerdings fundierte Empfehlungen, die helfen, die gesundheitlichen Risiken zu minimieren:

  • Schlaf priorisieren: Wer nachts arbeitet, braucht tagsüber Schlafphasen in einem möglichst abgedunkelten und ruhigen Raum. Ohrstöpsel, Schlafmasken und feste Rituale vor dem Zubettgehen helfen beim Einschlafen.
  • Ernährung anpassen: Studien zeigen, dass Mahlzeiten zu „unpassenden“ Tageszeiten die Glukosetoleranz verschlechtern und den Blutzuckerspiegel negativ beeinflussen. Kleine, leicht verdauliche Mahlzeiten sind nachts besser verträglich als schwere Speisen.
  • Bewegung einplanen: Moderate Bewegung – etwa ein Spaziergang vor der Nachtschicht oder gezielte Dehnübungen – hilft, den Kreislauf anzuregen und Stress abzubauen.
  • Licht gezielt nutzen: Licht beeinflusst die Melatoninproduktion. Tageslicht am Morgen unterstützt dabei, sich nach der Nachtschicht „umzustellen“. Vor dem Schlaf ist dagegen die Vermeidung von Blaulicht wichtig.

Chronotypen und Schichtsysteme: Nicht jede*r ist gleich

Nicht jeder Mensch tickt gleich. Der sogenannte Chronotyp, also ob jemand eher Frühaufsteher − eine „Lerche“ −, oder Spättyp − eine „Eule” − ist, beeinflusst, wie gut oder schlecht mit bestimmten Schichtzeiten umgegangen werden kann.

Neuere Schichtmodelle versuchen, die individuellen Chronotypen zu berücksichtigen, um die Belastung für das Personal zu reduzieren. Auch vorwärts rotierende Schichtsysteme – also Früh-, Spät-, dann Nachtschicht – gelten als physiologisch günstiger als rückwärts rotierende Modelle.

Anpassung ja – aber mit Grenzen

Der menschliche Körper ist anpassungsfähig – aber nicht in unbegrenztem Ausmaß. Diejenigen, die dauerhaft gegen den inneren Rhythmus leben, brauchen handfeste Strategien, um körperlich und psychisch gesund zu bleiben.

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Arbeitgeber und Beschäftigte sind gleichermaßen gefragt, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die langfristig tragbar sind. Dies beginnt bei durchdachten Schichtplänen, geht über die Pausenregelungen bis hin zu gesundheitsfördernden Maßnahmen im Arbeitsalltag.

Am Ende bleibt eine Erkenntnis: Der Preis für unsere Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft wird häufig im Stillen gezahlt, nämlich mit Erschöpfung, Schlaflosigkeit und gesundheitlichen Verschleißerscheinungen.